Als Bündnis „Gemeinsam & Solidarisch gegen Rechts Reutlingen und Tübingen“ unterstützen wir den Aufruf der Antifaschistischen Aktion Süd zum Protest gegen den AfD-Landesparteitag in Stuttgart-Cannstatt am 02. Juli (s.unten).
Aus Reutlingen organisieren wir eine gemeinsame öffentliche Anreise und laden dazu ein, sich zu beteiligen. Mit unserer Anreise schließen wir uns dem Tübinger Zugtreffpunkt an und fahren dann zusammen zum Protest nach Stuttgart.
+++ Zugtreffpunkt: Samstag, 02. Juli | 14 Uhr | Reutlingen HBF +++
Update Stand 30. Juni 2022:
Vor wenigen Stunden gab die AfD lt. lokaler Presse bekannt, dass sie
ihren Parteitag am 02. und 3. Juli nicht durchführen wird und verschiebt
diesen statt dessen um 2 Wochen nach hinten. Am 16. und 17. Juli soll
der Landesparteitag auf der Landesmesse in Stuttgart abgehalten werden.
Und das bleibt weiterhin in aller erster Linie ein Erfolg: anstatt
mitten in der Stadt ihren Parteitag abzuhalten, muss sich die AfD wieder
einmal in die Messe in Leinfelden-Echterdingen, weit außerhalb der
Stadt zurückziehen. Dort kann sie keine wirkliche Öffentlichkeit für
ihre Partei generieren und muss jetzt ihre gesamten (Zeit)Planungen über
den Haufen werfen!
Die Kampagne gegen die AfD aus Stuttgart zeigt uns: Antifa wirkt!
Wir fahren am 02. Juli trotzdem nach Stuttgart, denn auch nach der Absage des Parteitags gibt es mehr als genug gute Gründe gegen die Menschenfeinde der AfD auf die Straße zu gehen!
Kein AfD-Parteitag in Stuttgart!
Aufruf der Antifaschistischen Aktion Süd
Am ersten Juliwochenende 2022 will die AfD Baden-Württemberg im
Stuttgarter „Carl Benz Center“, direkt neben dem Neckarstadion, ihren
Landesparteitag durchführen. Zwei Tage lang wollen sich eine
dreistellige Anzahl an Rechten im migrantisch und proletarisch geprägten
Stadtteil Cannstatt treffen.
Es ist das erste mal seit der Wahlparty 2015, dass sich die AfD mit
einem großen Treffen direkt in die Innenstadtbezirke der
Landeshauptstadt traut. Die Vorsicht der Rechten ist nicht unbegründet:
Veranstaltungen der AfD wurden im Großraum Stuttgart immer von direktem
Protest begleitet, entfalteten deswegen kaum Außenwirkung und waren mit
viel organisatorischem Aufwand für die Partei verbunden. Die
schleichende Normalisierung rechter Aktivitäten ist hier nie
unwidersprochen hingenommen worden.
Daran wird sich auch jetzt nichts ändern! Die Versammlung der AfD in
Cannstatt können und werden wir nicht akzeptieren. Faschist:innen und
andere Rechte haben in unseren Städten und Vierteln keinen Platz. Weder
in Cannstatt noch sonst wo!
Wo steht die AfD?
Der Parteitag Anfang Juli ist das erste zentrale Treffen des
Landesverbands seit dem Beginn der Corona-Pandemie. Die letzte große
Versammlung vor der Pandemie war geprägt von den innerparteilichen
Flügelkämpfen, welche in einer Kampfabstimmung um den Landesvorsitz
endeten. Der Repräsentant des offen faschistischen Flügels Dirk Spaniel
verlor denkbar knapp gegen die Fraktionsvorsitzende im Bundestag Alice
Weidel.
Schon damals war für alle sichtbar: Der baden-württembergische
Landesverband ist – wie die Bundespartei auch – zerstritten und von
internen Lagerkämpfen um die Ausrichtung der AfD geprägt.
Unterschiedliche Spektren der Rechten kämpfen seit Gründung der AfD um
Einfluss und die Linie der Partei.
Einen weiteren Höhepunkt erlebten diese Kämpfe im Rückzug des
langjährigen Bundessprechers Jörg Meuthen im Januar 2022. Sein Austritt
bestätigte die seit Gründung andauernde Tendenz: In den Flügelkämpfen
setzt sich am Ende immer der rechtere Rand durch. Das war bei Lucke so,
das war bei Petry so und das belegt auch der Fall Meuthen.
Was im Umkehrschluss nicht heißen soll, dass wir um die „gemäßigten“
Teile trauern. Sie waren Steigbügelhalter:innen der Faschist:innen,
haben oft genug gemeinsame Sache gemacht und die Partei mit zum dem
gemacht, was sie jetzt ist. Zwar ist die AfD nach wie vor in ihrer
Gesamtheit keine faschistische Partei, sehr wohl aber ein extrem rechter
Zusammenschluss der sich in der Hand eines offen faschistischen Flügels
befindet.
Die gesellschaftliche Lage
Es ist nicht zu übersehen, dass die Zeit des Aufschwungs momentan für
die AfD vorbei ist. Zuletzt flog sie in Schleswig-Holstein sogar das
erste Mal seit ihrer Gründung aus einem Landesparlament. Trotzdem wäre
es falsch jetzt schon vom nahenden Ende der Partei zu sprechen. Die
schlechten bzw. stagnierenden Wahlergebnisse und Umfragen dürfen nicht
über die objektiven Gegebenheiten hinweg täuschen. Die aktuelle
Situation birgt weiterhin hohes Potenzial für rechte Wahlerfolge und
Dynamiken:
Nach Jahren des gefühlten „Politik-Stillstands“ bewegt sich innerhalb
kurzer Zeit unglaublich viel, so gut wie nichts davon zum Guten. Die
Auswirkungen der kapitalistischen Krise werden mehr und mehr im Alltag
der Menschen in Deutschland spür- und wahrnembar: Steigende Preise,
Inflation und der Krieg in der Ukraine. Viele Menschen verlieren in
Anbetracht dieser Kriseneinschläge völlig zu Recht das Vertrauen in die
Politik der Herrschenden und sind auf der Suche nach Alternativen.
Schließlich machen Habeck, Scholz und Lindner unmissverständlich klar
wohin die Reise in den nächsten Jahren geht. Wer davon spricht sich
„einen zweiten Pulli drüber zu ziehen“ meint eigentlich: Die
Krisenfolgen zahlen nicht die Großkonzerne sondern die kleinen Leute.
Daran ändern auch kosmetische Maßnahmen, wie das kostengünstige
Nahverkehrsticket, absolut nichts.
Gesellschaftliche Stimmungen können sich in einer solch hoch-politischen
Zeit schnell ändern – manchmal reicht dafür ein kleiner Funken. In
Zeiten in denen greifbare linke und klassenbewusste Antworten auf die
kapitalistische Krise fehlen eine brandgefährliche Ausgangslage. Auch
wenn größere Proteste auf der Straße aktuell noch ausbleiben, werden
diese völlig zu recht früher oder später kommen. Dann kann die Stunde
der AfD schlagen, schließlich ist sie schon jetzt die einzige bundesweit
sichtbare und medial präsente Fundamental-Opposition gegen die Politik
der Ampel-Regierung.
Als antifaschistische Bewegung tun wir daher gut daran, die AfD nicht
klein zu reden oder uns von Stimmungsumfragen täuschen zu lassen. Denn
selbst wenn Wahlerfolge weiterhin auf sich warten lassen, bleibt der in
den letzten Jahren aufgebaute Apparat mit massiven finanziellen
Ressourcen und einer organisierten Basis bestehen. Der Kampf gegen eine
Partei mit mehr und mehr offen faschistischen Zügen ist also immer noch
brandaktuell.
Widerstand leisten!
Wir verschließen unsere Augen nicht vor der Realität: Die AfD ist
salonfähig geworden und gehört inzwischen zum akzeptierten Teil des
bürgerlichen Parlamentarismus. Die breite gesellschaftliche Empörung ist
verschwunden und immer weniger Menschen kämpfen aktiv gegen rechte
Umtriebe. Das ist kein Grund den Kopf in den Sand zu stecken, vielmehr
müssen wir es schaffen den Kampf gegen Rechts wieder auf mehr Schultern
zu verteilen.
Dafür darf die antifaschistische Bewegung nicht bei einer moralischen
Kritik der Rechten stehen bleiben. Wir müssen den Menschen die
Motivation nehmen rechte Parteien zu wählen. Dabei sind nicht diejenigen
mit einem geschlossenen rechten Weltbild gemeint, sondern die
Bevölkerungsteile, die aufgrund ihrer Perspektivlosigkeit auf die
soziale Demagogie der AfD hereinfallen. Ein wirksamer Antifaschismus
muss diese Menschen erreichen und ihnen klar machen, dass die Rechten
keine wirklichen Lösungen für die Probleme unserer Zeit haben. Und das
gerade weil sie die Ursachen der Krise, das profitorientierte
Wirtschaften, verschärfen statt abschaffen wollen. Die Kritik an rechter
„Sozialpolitik“ muss deswegen immer verknüpft sein mit linken Ideen und
einer scharfen Kritik an den kapitalistischen Verhältnissen.
So sehr wir auf der einen Seite ein antifaschistisches Bewusstsein in
der Bevölkerung entwickeln und stärken müssen, so entschieden müssen wir
auf der anderen Seite die AfD, ihr Strukturen und ihre
Repräsentant:innen bekämpfen. Jede Veranstaltung mit Protest, jede
verlorene Räumlichkeit und jeder verhinderte Infostand schränkt die
Arbeit der Partei konkret ein. Auch wenn das bei der allgegenwärtigen
rechten Präsenz viel Zeit und Energie kostet, lohnen sich diese Kämpfe
nach wie vor: Wenn eine Partei nicht in der Lage ist ungestört in die
Öffentlichkeit zu treten oder Schwierigkeiten hat Infrastruktur zu
schaffen, dann hindert sie das ganz konkret in ihrer Weiterentwicklung.
Deswegen werden wir da sein, wenn die AfD nach Stuttgart kommt und rufen alle auf gemeinsam in Cannstatt auf die Straße zu gehen. Gemeinsam wollen wir deutlich machen: Wir akzeptieren die Normalisierung rechter und faschistischer Positionen nicht. Wir stellen uns ihnen entgegen. Mit vielen anderen, auf verschiedenen Ebenen und mit allem, was dafür notwendig ist.
Alle auf die Straße! Cannstatt Nazifrei!